Gesamtschule Schermbeck


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20 Jahre Gesamtschule Schermbeck

Wer sich für die Geschichte unserer Schule interessiert, der kann gut einem Gespräch zwischen dem Gründungsschulleiter Klaus Müller und dem jetzigen Schulleiter Norbert Hohmann lauschen.


Dieser Dialog wurde der Öffentlichkeit erstmals beim Festakt zum 20-jährigen Jubiläum der Schule präsentiert.


Herr Hohmann: Wir schauen auf 20 Jahre Gesamtschule Schermbeck zurück und ich kenne die Geschichte der ersten 17 Jahre nur vom Hörensagen. Doch ich frage einen Zeitzeugen der Stunde Null, der authentisch berichten kann: Lieber Herr Müller! Wie war das denn damals? Können Sie uns das mal kurz schildern?

Herr Müller: Die lange Zeit gut angenommene Hauptschule in Schermbeck war am Ende, weil sie nur noch von wenigen akzeptiert wurde, nicht weil sie als schlecht galt.
Die Gründung einer Realschule oder eines Gymnasiums war undenkbar und hätte je auch das Problem der Kinder nicht gelöst, die diese Schulformen nicht hätten besuchen können. Rat und Verwaltung waren von der Wichtigkeit einer eigenen Schule fest überzeugt aus vielen wirtschaftlichen und kulturellen Gründen und nach heftigen Überlegungen auch einmütig der Meinung, wenn denn nur eine Gesamtschule in Frage komme, dann müsse man eben eine gründen. Als die Kosten doch sehr beträchtlich waren, haben die Verantwortlichen zwar oft gezuckt, aber nicht gekniffen, nicht einmal, als die Schulleitung die Vergrößerung der Schule beantragte. Die damaligen Schulpflegschaftsvorsitzenden der beiden Grundschulen waren "Überzeugungstäter" und unterstützen die Schulpläne mit höchstem Einsatz. Alle Beteiligten wollten auf keinen Fall einen Dauerkulturkampf für oder gegen die Gesamtschule. Das gilt auch besonders für die Schulleitung und die Lehrerinnen und Lehrer. Keiner war "Ideologe". Alle wollten eine gute Schule. Das galt auch für die langjährige Seele des Sekretariats, Frau Romswinkel, und für andere Mitarbeiterinnen im Sekretariat, für die Hausmeister und die "Mensafrauen". Man hatte in anderen Gesamtschulen (leider) so viele Fehlentwicklungen festgestellt, dass man wusste, was auf keinen Fall die neue Schule gefährden sollte.

Herr Hohmann: Wir sind allen Menschen, die vor über 20 Jahren die mutige, richtungsweisende Entscheidung in Schermbeck getroffen haben, unsere Schule zu gründen, sehr dankbar. Denn so ist eines gelungen: Eine Schule für alle Kinder aus Schermbeck in Schermbeck aufzubauen, an der alle Bildungsabschlüsse erworben werden können, die in Deutschland zu vergeben sind - vom qualifizierten Hauptschulabschluss bis zum Abitur!
Aber die Gründungsidee einer vorausschauenden Gemeindeverwaltung und der Gründungsbeschluss eines mutigen Gemeinderates machen allein noch keine - gute - Schule. Sie haben in Ihrer Rede zur Begrüßung des ersten Jahrganges der Gesamtschule Schermbeck von den "Früchten" gesprochen, die an dieser Schule wachsen sollen, nicht den "Früchtchen". Aber wie sollte das gehen und vor allem, wie haben Sie es bewegt?

Herr Müller: Nicht ich habe das bewegt. Ich wusste meistens nur, was ich auf keinen Fall wollte und fand dann zahlreiche Menschen, die mir halfen.
Qualitätsanforderungen darf man nicht herabsetzen - man muss höchsten Wert auf sie legen Engagierte Lehrerinnen und Lehrer, besonders geleitet durch ein Menschenbild der Achtung der Menschen und mit dem Willen, den Schülerinnen und Schülern die bestmögliche Entwicklung zu ermöglichen, sind notwendig. Laissez faire, Beliebigkeit und "etwas durchgehen lassen" sind das Gegenteil einer verantwortlichen Erziehung. Ich hatte das große Glück, dass bei allen Dingen, die ich anpacken wollte oder musste, mir immer große Unterstützung gewährt wurde, u.a. von einer "etwas anderen" Schulaufsicht in Düsseldorf und anfangs auch in Wesel. Einmal etwas flapsig: Es gab in Schermbeck für Jahre eine voll funktionsfähige auslaufende Hauptschule, obwohl die keine einzige Lehrkraft mehr hatte. Die Zusammenarbeit Wesel - Düsseldorf war vorbildlich - die Eltern des letzten Hauptschuljahrgangs haben sich bei mir außerordentlich herzlich bedankt - es war einer meiner schönsten Momente als Schulleiter.


1989 - Herr Apfelbeck und Herr Dondorf

Herr Hohmann: Aufbauend auf diesen Säulen hat die Schule sich in den 20 Jahren ihres Bestehens kontinuierlich entwickelt. Von der ursprünglich geplanten 4-Zügigkeit ist sie wegen der großen Akzeptanz in Schermbeck und den Nachbarkommunen in der Sekundarstufe I 5-zügig geworden, die gymnasiale Oberstufe startet wegen der hohen Nachfrage mittlerweile 4-zügig, so dass im Jubiläumsjahr 1.105 Schülerinnen und Schüler an unserer Schule lernen. Die jährliche Zahl der Abiturientinnen und Abiturienten hat die 50 überschritten und wächst weiter.

Herr Müller: Das letzte hat natürlich vor zwanzig Jahren noch niemand erwartet und auch nicht erwartet können. Und so sehr mich das freut: mir war immer ebenso wichtig: Wie ergeht es den Abgängern nach der Klasse 10?

Herr Hohmann: Viele gehen in die Berufsausbildung und sind gefragte Auszubildende in den Schermbecker Unternehmen und auch der weiteren Umgebung. Wir freuen uns über das immer wieder geäußerte Lob über die qualifizierte Ausbildungsreife, die unsere Schülerinnen und Schüler im Laufe der Schulausbildung an unserer Schule gewonnen haben. Auch an den Berufskollegs der Kreise Wesel und Recklinghausen sind unsere Absolventen willkommene Schüler, die in berufsorientierenden Bildungsgängen erfolgreich ihren Weg gehen.
Apropos erfolgreich: Auf den jährlichen Ehemaligentreffen hört man immer von den Schulabsolventen der vergangenen 14 Jahre, dass sie erfolgreich ihre Frau/ ihren Mann nach Ausbildung oder Studium im Beruf stehen.
Sie haben in den 17 Jahren, die Sie die Schule geleitet haben, mehrere tausend Schülerinnen und Schüler, deren Eltern und mehr als hundert Lehrerinnen und Lehrer begleitet. Die Begegnungen mit den Menschen waren, wie ich weiß, prägend für Sie. In der Erinnerung sind sicher viele Anekdoten haften geblieben, die Sie noch heute schmunzeln lassen.

Herr Müller: Sie wollen mich nur verleiten, meinem, mir immer unterstellten Rededrang nachzugeben - irgendwann hat mir mal ein gebildeter Mensch erklärt, mit welch´ schönem medizinischen Ausdruck man diese Krankheit bezeichnet: Logorhoe (das ist griechisch und heißt: Wortdurchfall). Ich behaupte immer noch, ich habe diese Krankheit nicht.
Aber wirklich nur eine Anekdote. Als vor drei Jahren mal Not am Mann, genauer am Latein-lehrer war (ich muss gestehen, mir hat Latein immer mehr Freude gemacht als manchem Schüler), habe ich einen Lateinkurs im Jahrgang 8 übernommen, und wenn wir geflachst haben: "Ja, wo treffen wir uns denn, wenn Sie mal pensioniert sind?" lautete die stereotype Antwort: "Um zehn Uhr an der Peterskirche in Rom".
Das haben wir dann voriges Jahr auch gemacht - es war ein wunderschöner Rückfall in mein Lehrerdasein: eine Woche mit interessierten, disziplinierten, fröhlichen Schülerinnen und Schülern und Begleiterinnen und Begleiter und in der ewigen Stadt. Danke noch einmal dafür, dass Sie das gegen viele Regeln genehmigt haben.
Es gibt aber auch noch den Geruch in der Nase, als wir im Anfangsjahr eine Projektwoche hatten, in der Urmenschen eine größere Rolle spielten. Die abzunagenden oder wegen des Marks aufzuschlagenden Rinderknochen rochen doch anders am Ende der Woche als beim Metzger in Schermbeck.
Aber neben Erinnerungen gibt es ja auch die manchmal nicht ganz so lustige Gegenwart - und ich gestehe freimütig, dass ich nicht immer alles durchführen und diskutieren möchte, was Sie jetzt manchmal tun müssen.
Zeitgleich mit Ihrem Amtsantritt hat sich Schule in NRW weiter enorm verändert: zentrale Prüfungen. Mancher Zweifler fragte sich und mich: kann die Gesamtschule dabei gut abschneiden?

Herr Hohmann: Am Ende meines ersten Jahres als Schulleiter gab es die mit Spannung von allen erwarteten Zentralen Prüfungen im Jahrgang 10 und das Zentralabitur. Und die Ergebnisse waren überaus zufriedenstellend: In beiden Prüfungsjahrgängen schnitten die Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule Schermbeck überdurchschnittlich ab und das hat sich auch in diesem Jahr wieder bestätigt.

Herr Müller: Somit kann ich, rückblickend auf 20 Jahre Gesamtschule Schermbeck, zu Recht mit Stolz ein Resümee ziehen: Gesamtschule Schermbeck - ein Erfolgsmodell!
Doch wie sehen die Herausforderungen der nächsten 20 Jahre für die Gesamtschule Schermbeck aus?



Herr Hohmann: Wir haben die Aufgabe, jedem Kind, seinen Möglichkeiten entsprechend, die optimalen Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen. Dies war Verpflichtung in den 20 Jahren und wird zentrales Ziel für die Zukunft bleiben. Ich freue mich, dass auch unser Schulministerium dies nun erkannt hat und "individuelle Förderung" zur zentralen Aufgabe von Schule erklärt - für uns in Schermbeck schon immer eine Selbstverständlichkeit. Unser Interesse für den einzelnen Schüler ermöglicht uns somit, besondere Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln.
Die Anforderungen an unsere Schülerinnen und Schüler in einer immer komplexer werdenden Welt wachsen stetig. Somit wächst für sie die Notwendigkeit, auf der Basis einer soliden Grundbildung Fähigkeiten zu entwickeln, die sie befähigen, äußerem Wandel einerseits flexibel zu begegnen und ihn andererseits aktiv mitzugestalten. "Selbstständigkeit", "Kooperationsfähigkeit" und "Prozessorientierung des Unterrichts" sind die Schlagworte, die Lernen und Lehren in Zukunft nachhaltig bestimmen werden. Hier werden die Schwerpunkte der Unterrichtsentwicklung der nächsten Jahre liegen. Von Beginn an hat sich unsere Schule der Zusammenarbeit mit Unternehmen, Vereinen und den Kirchengemeinden geöffnet, intensive Schulpartnerschaften zu Frankreich, den Niederlanden und Polen geknüpft und so die Lebenswirklichkeit für Schülerinnen und Schüler in die Schule geholt. So können sie Haltungen und Handlungen erproben und schrittweise in die Gesellschaft hineinwachsen.
Die Entwicklung von Kooperationsfähigkeit bleibt zentrales erzieherisches Ziel unserer Schule. War die Entwicklung von Jugendlichen in vergangenen 60 Jahren durch die Ausprägung von Jugendkulturen treffend zu charakterisieren, so stellen wir in den letzten Jahren verstärkt eine Tendenz zur Vereinzelung fest. Ich möchte hier nicht auf die üblichen Verdächtigen schimpfen, z.B. den Medienkonsum, sondern hervorheben, dass Schule mehr ist, mehr sein muss als Lernort - nämlich Ort, an dem man miteinander lernt und lebt. Der Ganztag an unserer Schule bietet über den Unterricht hinaus zusätzlich den Raum, Gemeinschaft zu erleben.
Dass Schule gelingt, setzt die aktive, engagierte Zusammenarbeit aller in ihr Lernenden und Arbeitenden voraus, der Schülerinnen und Schüler, die die Möglichkeiten ihrer Schule nutzen, ihre Persönlichkeit ganzheitlich zu entwickeln, der Lehrerinnen und Lehrer und der Eltern, auf die wir uns in Schermbeck immer verlassen können und deren Unterstützung ihres Gleichen sucht.

So blicke ich zum 20. Geburtstag unserer Schule nicht nur zufrieden zurück, sondern voll positiver Erwartung auch in die Zukunft.